Unterwegs in der Weltgeschichte by Hans-Christian Huf

Unterwegs in der Weltgeschichte by Hans-Christian Huf

Autor:Hans-Christian Huf [Huf, Hans-Christian]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: PeP eBooks
veröffentlicht: 2011-10-06T22:00:00+00:00


21. Ritter, Tod und Teufel

Sie war nur eine von Hunderttausenden, denen als Ketzerin oder Zauberin im Europa der frühen Neuzeit der Prozess gemacht wurde. Eines von 40 000 bis 60 000 Todesopfern, die die Hexenverfolgung vom 15. bis ins 18. Jahrhundert hinein forderte. Und doch ist Johanna, die ihren »inneren Stimmen« folgte und für ihr Land in die Schlacht zog, etwas ganz Besonderes: Nationalheldin, Befreierin, Märtyrerin, Hauptfigur vieler Theaterstücke, Opern, Hörspiele und Filme – in Erinnerung geblieben aber, zu Recht, nicht als die glorreiche Heerführerin, sondern »eine aus dem Volk«, ein schlichtes, demütiges Bauernmädchen. Von Heiligen wie Jeanne d’Arc und Hexen, von Ritter, Tod und Teufel erzählt dieses Kapitel.

Auf nichts war im späten Mittelalter so sehr Verlass wie auf die Erz- und Erbfeindschaft zwischen England und Frankreich. Ihr Höhepunkt war der sogenannte Hundertjährige Krieg, der sich von 1337 bis 1453 hinzog und am Streit um die englischen Besitztümer auf dem französischen Festland entzündet hatte. Aber ihre Ursprünge reichten bis ins ausgehende erste Jahrtausend zurück, als sich Teile der Wikinger, die von Skandinavien aus nach West- und Osteuropa vorgestoßen waren, in Frankreich ansiedelten. Die Bezeichnung Normandie leitet sich von diesen Nordmännern oder Normannen ab.

Mitte des elften Jahrhunderts spitzt sich die Lage zu. Als der angelsächsische König Eduard der Bekenner kinderlos bleibt und die Erbfolge unsicher ist, beansprucht der normannische Herzog Wilhelm der Eroberer den englischen Thron. Mit einem stattlichen Heer landet er 1066 auf der britischen Insel, besiegt im Oktober bei Hastings die Verteidiger und lässt sich Weihnachten desselben Jahres in Westminster zum König krönen. Er ist so klug, die englische Rechtsordnung zu bestätigen, organisiert aber die Verwaltung nach französischem Muster und setzt eine normannische Oberschicht in Amt und Würden.

Die Eroberung der angelsächsischen Insel durch die Normannen wird auf einem knapp siebzig Meter langen gewebten Leinenteppich geschildert, der um 1077 entstanden und heute in Bayeux zu sehen ist. Die Darstellung zeigt, dass schon die Zeitgenossen die historische Bedeutung der Verbindung von angelsächsischer und romanischer Kultur erkannt haben, wenngleich gerade die erzwungene Vermischung auch schwerwiegende Probleme und gewalttätige Auseinandersetzungen mit sich bringt.

Zum offenen Konflikt kommt es 1337. Der Hundertjährige Krieg, der ausschließlich auf französischem Boden ausgetragen wird, sieht zuerst die Engländer im Vorteil. Ihre Truppen sind zwar den Ritterheeren des Gegners zahlenmäßig klar unterlegen, aber dank ihrer neuen Fernwaffen, den Langbogen, gewinnen sie die frühe Schlacht von Crécy (1346) und erringen 1415 einen erneuten Sieg bei Azincourt.

Angesichts der Schlacht von Crécy (nördlich der Somme) hat der Historiker Horst Fuhrmann von der »selbstmörderischen Antiquiertheit des Ritters« gesprochen, dessen Zeit endgültig zu Ende ging. Um nicht von den Franzosen überrannt zu werden, die mit fünffacher Übermacht aufmarschiert waren, hatten die Engländer den Kern ihrer Reiterei durch einen Flankenschutz aus Armbrust- und Bogenschützen verstärkt. Die im dreizehnten Jahrhundert aufgekommenen Plattenpanzer der Ritter hielten zwar die Pfeile der kleinen Handbogen ab, nicht aber die mit großer Wucht geschleuderten Geschosse der Armbrust und des aus dehnbarem Eschenholz geschnitzten englischen Langbogens.

Jeder der gut ausgebildeten Bogenschützen war in der Lage, in nur einer Minute bis zu sechs gezielte und wirksame Schüsse auf eine Distanz von fast 200 Metern abzugeben.



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